Aus feinsten Blutgefäßen,
„Haargefäße“ oder „Kapillaren“ genannt, wird ständig Wasser in den Zwischenzellraum („Interstitium“) herausgedrückt. Es enthält verschiedene Stoffe, die zur Versorgung der Zellen notwendig sind. Das
„verbrauchte“ Wasser, überschüssiges Eiweiß, Abbauprodukte des Stoffwechsels, totes Zellmaterial, Abwehrzellen, Entzündungsprodukte und Krankheitserreger etc. – das alles zusammen bildet die
„lymphpflichtige Last“ – werden über das Lymphgefäßsystem abtransportiert. So lange dieses intakt ist, kann es die anfallende lymphpflichtige Last vollständig abtransportieren. Ist ihre
Transportkapazität herabgesetzt, sammeln sich Wasser, Eiweiß und schädliche Stoffe im Gewebe an. Es bildet sich ein eiweißreiches Ödem, ein „chronisches Lymphödem“.
Bei der Behandlung von chronischen Lymphödemen (wozu auch
das Lipo-Lymphödem gehört) versucht man einerseits, mittels Manueller Lymphdrainage (MLD)
den Lymphabfluss zu verbessern. Andererseits wird eine Verringerung der aus den Kapillaren in das Interstitium „filtrierten“ Flüssigkeit angestrebt.
Dafür ist die Kompressionstherapie zuständig. Indem sie den Druck
im Gewebe erhöht, erfüllt die Kompression eine Vielzahl von Funktionen gleichzeitig:
Wie man sieht, ist die
Kompression ein wahrer Tausendsassa! Und damit kommen wir zu der Frage, wann die Kompression getragen werden muss. Die Antwort lautet ganz einfach: Außer
nachts immer!
Nach Abschluss der „Entstauungsphase“ nach Földi – wenn also das
Ödem nicht mehr weiter reduziert werden kann – versucht man das erreichte Ergebnis mithilfe einer maßgefertigten Kompressions-Versorgung („Flachstrickstrumpf“) so gut und so lange wie möglich
aufrechtzuerhalten („Erhaltungsphase“). In den meisten Fällen bezeichnet die Erhaltungsphase die Zeit zwischen zwei stationären Reha-Maßnahmen. Und dafür sieht das Gesetz einen Zeitraum von
mindestens vier Jahren vor. Daraus wird ersichtlich, wie wichtig es ist, dass die Kompressions-Versorgung bedarfsgerecht gewählt und „wie eine zweite Haut“ passen
muss.
Die Kompressions-Versorgung ist ein medizinisches Hilfsmittel, sie kann vom Arzt verordnet und wird von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Die Verordnung von Hilfsmitteln belastet nicht das Budget des Vertragsarztes. Er darf sie aber nicht zusammen mit Arznei- oder Heilmitteln (MLD etc.) auf einem Rezept verordnen. Wichtig ist, dass er auf dem Rezept oben rechts das Feld Nummer 7 ankreuzt. Die Verordnung einer Kompressions-Versorgung ist ziemlich kompliziert.
Lymph. Kompressionsvers., 2-tlg,
bestehend aus:
1 P. Strümpfe AD schräge Abschlüsse, Haftrand, 1 Caprihose CT,
Maßanfertigung, KKl. 2, Flachstricktechnik
Diagnose: sek. Lymphödem St. 2 bei Z. n.
Prostata-Ca.
1 lymphologische Kompressionsstrumpfhose mit individuell erf.
Zusätzen, Maßanfertigung, KKl. 2, Flachstricktechnik
Diagnose: Lipödem Typ 2 mit sek. Lymphödem St.
1
Der Arzt muss eine Vielzahl von exakten Angaben machen:
Als nächstes folgt der Weg zum Fachhändler (Sanitätshaus bzw. Apotheke), der die Verordnung bearbeiten soll. Er hat folgendes zu tun:
Nachdem der Fachhändler die Kostenzusage der Krankenkasse erhalten hat, nimmt er das Anmessen vor. Auch hier ist einiges zu beachten:
Eine lymphologische
Kompressions-Versorgung wird "unter Zug" gemessen - somit wird Ihre Bestrumpfung
absichtlich kleiner als Ihre z. B. Beine.
Betroffenen mit Lipödem kann das Anmessen unangenehm bis schmerzhaft sein - keine Angst, die Versorgung tut beim Anziehen oder wenn sie angezogen ist, nicht weh - dann haben wir flächigen
Druck.
Dann läuft hinter den Kulissen im Fachhandel folgendes ab:
Auch bei der Anprobe bzw. Abgabe der Versorgung ist einiges zu
klären:
Und wenn dann alles in Ordnung ist, folgt die Empfangsbestätigung / Patientenerklärung
für Ihre Versorgung:
Mit Ihrer Unterschrift bestätigen
Sie
Wie oft und wann soll die lymphologische Versorgung verordnet
werden:
Wie Sie sehen, ist die ganze
Prozedur sehr aufwändig. Als Patientin bzw. Patient haben Sie das Recht auf kompetente Unterstützung durch das Fachpersonal (Sanitätshaus bzw. Apotheke).
Darauf sollten Sie unbedingt bestehen:
Was heißt „flachgestrickt“ und
warum geht’s nicht mit den dünnen „Venenstrümpfen“? Alle Kompressions-Gestricke bestehen aus drei Fäden und man unterscheidet zwischen „rundgestrickt“ und „flachgestrickt“. Kennen Sie noch die gute
alten „Strickliesl“? Stellen Sie sich das gleiche Prinzip nur viel größer vor, dann haben wir den sogenannten Zylinder einer Rundstrickmaschine. Am Knöchel wie am Oberschenkel hat ein
Rundstrickstrumpf die gleiche Maschenanzahl. Umfangsveränderungen und Druckverlauf werden über die Spannung der Fäden und somit die Größe der Masche reguliert. Kleiner Umfang = kleine Maschen, großer
Umfang = große Maschen. Es ändert sich nur die Maschengröße, die Maschenanzahl bleibt immer gleich.
Wenn Sie stricken und in Hin- und Rückreihen arbeiten, schließen
Sie zum Schluss die Nähte und Ihr gutes Stück ist fertig. Flachgestrickte Versorgungen werden auch in Hin- und Rückreihen und einzelnen Teilen gefertigt. Die Größe der Maschen bleibt gleich,
Umfangsveränderungen werden über die Anzahl der Maschen reguliert. Kleiner Umfang = wenig Maschen, großer Umfang = viele Maschen. Die Maschengröße bleibt immer gleich, die Maschenanzahl ändert sich je nach Bedarf (in jeder Reihe). So können auch große Umfangsunterschiede passformgenau versorgt
werden.
Denken Sie nun an die oft außergewöhnlichen Beinformen, mit denen
wir es bei Ödemen zu tun haben. Wie könnte da ein Strumpf passen, wenn von oben bis unten mit der gleichen Maschenzahl gearbeitet wurde? Rundstrickware ist relativ dünn und elastisch. Für die meisten
Venenerkrankungen sind diese Materialeigenschaften gewollt, aber ein Ödem kann damit nicht „gehalten“ werden! In Flachstricktechnik kann jeder Umfang auf den Millimeter genau versorgt werden. Die
Kompressions-Versorgung bildet dann eine stabile Wand, die bei ruhender Muskulatur einen relativ geringen „Ruhedruck“ ausübt, aber der sich anspannenden Muskulatur einen wesentlich höheren
„Arbeitsdruck“ entgegensetzt. Und genau das ist es, was in der Ödemtherapie benötigt wird!
Flachgestickte Materialien sind stärker, kompakter und somit auch
strapazierfähiger als rundgestrickte. Mit ihnen können ein gleichmäßiger und flächiger Druck erzielt und einschnürende Falten werden vermieden. Durch die offenporige Struktur der gröberen Strickart
kommt mehr Luft durch das Gestrick an die Haut, Sie schwitzen weniger. Auch wenn es für Laien oft nur schwer vorstellbar ist, Flachstrick ist leichter an- und auszuziehen als
Rundstrick.
Gerade dann ziehen Sie Ihre Versorgung an! Bei Wärme dehnen sich Gefäße aus. Aber Sie wissen aus eigener
Erfahrung, dass Sie Ihnen der Sommer mit seinen höheren Temperaturen eher Probleme macht. Mein Tipp wenn’s mal heiß wird: Feuchten Sie Ihre angezogene Versorgung an – den Bereich Knöchel aufwärts bis
ca. Wade mit einer Sprühflasche gefüllt mit Wasser gut durchfeuchten – Sie spüren sofort einen kühlenden und erleichternden Effekt. Verlängern und intensivieren kann man es durch spezielle Sprays,
die dann zusätzlich auf den feuchten Strumpf gesprüht werden (z. B. mediven FRESH).
Wenn Sie Hosenträgerin (Bermuda-, Capri- bzw. Strumpfhose) sind,
kann Ihnen der Netzzwickel von Juzo zusätzlich Erleichterung verschaffen. Innovative Stricktechnik sorgt in diesem Bereich für mehr Atmungsaktivität.
Wichtig ist vor allem täglich.
Unsere Unterwäsche wechseln wir inzwischen auch täglich. Wenn die Temperaturen im Sommer auf über 30 °C steigen, mag kaum jemand seine Strumpfhose / Strümpfe noch einen zweiten Tag tragen… Nach dem
Ausziehen geht das Gestrick nicht in die ursprüngliche Form zurück – wie alle elastischen Materialien, die wir als Kleidungsstücke kennen. Hier sprechen wir jedoch nicht von einer modischen
Feinstrumpfhose, die ein paar Falten wirft, sondern von einem medizinischen Hilfsmittel als Element einer Therapie. Und optimale Therapie kann ein Kompressions-Gestrick nur leisten, wenn es durch das
Waschen seinen Ursprungszustand und seine volle Spannkraft zurückerhält.
Durch das Waschen werden die Rückstände der Haut (Hautschüppchen,
Schweiß, Talg etc.) entfernt – daher bitte Kompressions-Gestricke stets von links (mit der Innenseite nach außen) waschen. Wenn Sie die Bestrumpfung in ein Wäschenetz geben, darf sie in die
Waschmaschine – bei max. 40 °C und mit Feinwaschmittel. Bitte verwenden Sie weder Vollwaschmittel (enthält Bleichmittel und die Farbe „blutet“ aus) noch Wollwaschmittel oder Weichspüler.
Letztgenannte legen sich um die Fasern und das Material ist nicht mehr so atmungsaktiv. Sie schwitzen dann mehr in Ihrer Kompressions-Versorgung. Langfristig gesehen zerstört es auch den
Elasthan-Faden.
Selbstverständlich können Sie auch Handwäsche machen – aber wie
lange dauert Handwäsche und wie lange eine Maschinenwäsche? Je öfter Maschinenwäsche, desto besser für Ihre Kompressions-Versorgung. Verwenden Sie am besten Spezialwaschmittel – jeder Hersteller
bietet eines an – für elastische Gestricke. Spülen Sie die Versorgung dann gründlich mindestens 2-3 Mal und drücken es danach aus. Bitte nicht wringen! Man ist sehr versucht, das viele kräftige
Material im Waschbecken auszuwringen – aber es ist kein Putzlappen! Legen Sie die feuchte Versorgung auf ein großes Handtuch, am besten noch eines obendrauf und rollen Sie es ein. Ziehen Sie die
Versorgung in feuchtem Zustand in Form. Bitte lassen Sie sie nicht nass oder feucht liegen, sondern hängen Sie Ihre Strümpfe auf. Jedoch bitte nicht direkt auf die Heizung und auch nie in die direkte
Sonne legen!
Endlich haben Sie Ihre neue
Versorgung und spüren nicht nur beim Anziehen den Unterschied. Aber was nun mit den „alten“? Wegwerfen? Ich rate Ihnen: Nein.
Aber tragen Sie hauptsächlich stets Ihre aktuellste Versorgung
und wenn es mal gar nicht anders geht, können Sie Ihre alte zwischendurch auch mal anziehen. Bevor Sie gar keine Versorgung tragen, lieber die ermüdete alte! Auch für den Fall, dass Sie vorübergehend
gehandicapt sind (z. B. Verletzung an Arm oder Hand, Rheumaschub in der Hand oder an einem anderen Gelenk, das beim Anziehen beteiligt ist, o. ä.) und die neue knackige Strumpfhose nicht anziehen
können – die „ausgeleierte“ bringen Sie vielleicht alleine ran. Außerdem lassen sich verbrauchte Hosenversorgungen wunderbar in Radlerhosen umwandeln (entweder beim Hersteller ändern lassen – gegen
Berechnung) oder abschneiden: Perfekt, wenn Sie auf Reha gehen oder sich in Ihrer Physiotherapiepraxis bandagieren lassen. Die Lymphologische Kompressionsbandagierung lässt sich so besser fixieren
und es kann evtl. auf die Bandagierung von Hüfte / Bauch verzichtet werden.
Stimmt der Druck von außen –
„passt“ die Kompressions-Versorgung –, dann lagert sich keine Flüssigkeit ein. Natürlich nur, solange die Versorgung getragen wird. Auf den Punkt gebracht: „Druck von außen verhindert, dass es wieder
dick wird!“ Ein Schwamm kann sich nicht vollsaugen, wenn Sie ihn in Ihrer Hand fest zusammendrücken und die Hand ins Wasser halten. Und so können Sie es sich stark vereinfacht vorstellen. Und nun
kommt es auch auf den richtigen Druck an – drücken Sie zu wenig, kann sich „Ihr Schwamm trotzdem vollsaugen.
Ist die Kompression zu gering (zu geringe Kompressionsklasse, zu
wenig Zug beim Messen), das Material zu elastisch (zu elastische Flachstrickware oder gar Rundstrick), dann „lagern“ Sie ein: Ihr Ödem verschlechtert sich. Ist die Kompression zu hoch (zu hohe
Kompressionsklasse, zu viele Lagen übereinander, zu viel Zug beim Messen), kann es zu Durchblutungsstörungen bis hin zu Schmerzen (vor allem im Ruhezustand) und zu Abschnürungen kommen. Auch das
wiederum kann das Ödem verschlechtern.
Zu einer Verschlechterung des Ödems kann es auch kommen, wenn
Ihre Versorgung nicht richtig passt. Hierzu zählen die vorgenannten falschen Druckverhältnisse. Diese können jedoch auch entstehen, wenn die Versorgung nicht richtig angezogen ist. Überdehntes
Material hat keine ausreichende Kompression und das dabei zwangsläufig überschüssige Material wirft Falten und schnürt ab. Material, das nicht genug nach oben modelliert wird, erzeugt partiell zu
viel Druck und führt zu Abschnürungen. Zwangsläufig erscheint dann die Versorgung zu kurz.
Lassen Sie sich daher – vor allem bei Ihrer ersten Versorgung –
das Anziehen im Fachhandel zeigen. Es gibt hier verschiedene Techniken und auch diverse Hilfsmittel – eines der wichtigsten sind Gummihandschuhe mit genoppter Handfläche. Wenn man Ihnen das erste
Strumpfbein angezogen hat, versuchen Sie das andere gleich selbst anzuziehen. Ihre Beraterin kann dann gleich korrigieren und es schleichen sich erst gar keine Fehler ein. Auch sollte sie prüfen, wie
die Versorgung, die sie gemessen hat, passt. Selbstverständlich kann es auch zu Messfehlern (Zahlendreher etc.) kommen – wir sind alle nur Menschen !
Bei konsequentem Tragen trocknet
die Haut aus und wird durch das An- und Ausziehen zusätzlich mechanisch beansprucht. Ihre Haut braucht dringend Pflege! Abends nach dem Ausziehen Ihrer Versorgung können Sie Ihre gewohnten Produkte
verwenden. Teils bietet der Fachhandel spezielle Produkte an. Morgens nach dem Duschen dürfen Sie auch cremen – aber da muss es die spezielle Pflege des Kompressionsstrumpf-Herstellers sein. Auch das MICROVASE Gel eignet sich hier sehr gut. Nur dann können Sie sicher
sein, dass nichts enthalten ist, was den Elasthan-Faden auf Dauer schädigt. Diese Gels / Cremes / Schäume ziehen sofort ein und Sie können Ihre Bestrumpfung sofort danach wie gewohnt anziehen.
Probieren Sie doch mal den Vitalbalsam7 von Juzo und tragen ihn im Sommer gekühlt auf.
Wenn Ihre Haut irritiert ist, juckt sie und reagiert mit
Hautrötung und evtl. -pusteln. Sollte dies auch der Fall sein, wenn die Bestrumpfung gewaschen ist und Sie ausreichend Hautpflege betreiben, stellen Sie sich beim Fachpersonal vor und sprechen Sie
auch ggf. bei Ihrem Arzt vor.